Einlass für alle!? Diskriminierende Einlasskontrollen in Clubs und Diskotheken

In Leipziger Discotheken gibt es rassistische Einlasskontrollen…
Das Antidiskriminierungsbüro Sachsen testete im Jahr 2011 gemeinsam mit dem StudentInnenrat der Uni Leipzig zum wiederholten Mal die Einlasspraxis von Discotheken. Dabei wurde die Türpolitik von insgesamt elf Diskotheken und Clubs in der Leipziger Innenstadt geprüft. Zuerst versuchten drei Test­personen mit Migrationshintergrund und unmittelbar danach drei Test­personen ohne erkennbaren Migrationshintergrund Eintritt in die Lokalitäten zu bekommen. Die beiden Gruppen waren ähnlich gekleidet und ähnlichen Alters. Das Ergebnis war stichhaltig und ernüchternd: sechs der elf Clubs wurden rassistische Einlasskontrollen attestiert(1).
Die Diskriminierung aufgrund einer erkennbar anderen Herkunft zeigte sich dabei in der Regel nicht offen. Die TürsteherInnen brachten vorgeschobene Argumente vor, bspw. unpassender Dresscode, Altersgrenzen, Einlassstopp. Da die Abweisungen jedoch nur die Testpersonen mit Migrationshintergrund betrafen, die in jedem der Fälle vor den weißen Testpersonen in die Locations zu gelangen versuchten, kann ein Irrtum ausgeschlossen werden. Bereits 2006 und 2008 waren Tests mit ähnlichen Ergebnissen durchgeführt worden. Es handelt sich also keineswegs um eine neue oder gar punktuelle Erscheinung.
Wo Rassismus beginnt…
Rassismus bedeutet, dass Menschen aufgrund ihrer unterstellten anderen Herkunft(2) abgewertet und ausgeschlossen werden. Ein zentrales Moment rassistischen Denkens ist die pauschale Zuordnung der Individuen zu einem konstruierten Kollektiv („die AraberInnen“, „die AsylbewerberInnen“), dem bestimmte – zumeist negative ­– Eigenschaften zugeschrieben werden. So stehen Erzählungen über besonders sexistische und gewalttätige „arabische“ oder „afrikanische Männer“ weiterhin hoch im Kurs.
Es sind nicht zwingend neonazistische Hetze oder gewaltsame Übergriffe, mit der sich rassistische Einstellungen ausdrücken. Im Gegenteil: Alltagsrassismus ist tief im gesellschaftlichen Bewusstsein verankert und äußert sich in mehr oder weniger subtilen Ausgrenzungsmechanismen. KeineR ist frei von solchen Denkweisen! Ziel muss es sein, sie offen zu legen und kritisch zu reflektieren.
Doch es geht nicht nur um eine Sache der Einstellung: Mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) wurde 2006 auch in Deutschland die rechtliche Grundlage gegen Diskriminierung im Arbeitsrecht, bei privatrechtlichen Verträgen, im Sozialrecht und in der Bildung geschaffen. Dies gilt auch für den Zugang zu Diskotheken und Clubs.
Klagen statt Verständigung…
Bevor das Ergebnis des 2011er Tests öffentlich gemacht wurde, versuchten ADB und StuRa mit den ClubbetreiberInnen ins Gespräch zu kommen. Deren Ziel war und ist nicht mittels einer vermeintlichen „Rassismuskeule“ zu denunzieren, sondern ein Bewusstsein für bewusste und unbewusste Diskriminierung zu schaffen. Angeboten wurden beispielsweise Schulungen für das Türpersonal. Außerdem ging es um die Vereinbarung klarer, transparenter und AGG-­kompatibler Regeln für einen diskriminierungsfreien Einlass. Das ADB schlug eine entsprechende Überarbeitung der Hausordnungen, einen mehrsprachigen Aushang über Einlasskriterien und ein transparentes Beschwerdemanagement vor.
Aufgrund der Abwehrreaktionen und Verweigerungshaltung der Clubs griffen zwei Betroffene aus dem 2011er Test zur Klage auf Grundlage des AGG. Mindestens drei der sieben Klagen sind inzwischen in erster Instanz zugunsten der Kläger entschieden. Das heißt, dass das Vorliegen einer Diskriminierung gerichtsfest bestätigt und den Betroffenen ein Schmerzensgeld zugesprochen wurde. Einzelne Clubs haben sich im Zuge der Auseinandersetzung vor Gericht auf Mediationsverfahren eingelassen. Auch IHK und DEHOGA als zuständige Branchenverbände schalteten sich in die Debatte ein und präsentierten eine Selbstverpflichtung, mit der sich Clubs und Discotheken nominell für die Gleichbehandlung ihrer Gäste einzusetzen und die Einleitung verschiedener Maßnahmen ankündigten.
Einlass für alle?
Die Forderung nach einem „Einlass für alle“ meint nicht, dass es keine Möglichkeit zum Ausschluss von Gästen geben soll. Dafür braucht es allerdings transparente Kriterien (z. B. zum Dresscode, geschlossene Veranstaltungen, Erreichen von Kapazitätsgrenzen), die für alle gleichermaßen gelten. Und damit per se auch für Menschen mit Migrationshintergrund. Auch konkrete Verhaltensweisen wie aggressives Auftreten oder starke Alkoholisierungen rechtfertigen selbstverständlich den Ausschluss. Es muss allerdings eine konkrete Handlung vorliegen und keine Vorverurteilung, z. B. wegen einer anderen Hautfarbe.
Statt sich Abwehrreflexen hinzugeben, wäre es zudem angebracht sich in die Situation der
Betroffenen hineinzuversetzen. Rassistische Türpolitik ist würdeverletzend und hinterlässt zumeist ein Gefühl der Ohnmacht. Die Tests von ADB und Stura haben dazu beigetragen, das Problem sichtbar zu machen und Betroffene ermutigt, sich dagegen zu wehren. Sie haben also die vollkommen unterbelichtete Perspektive der Menschen, die Rassismus erleben müssen, gestärkt. Und das ist gut so.
Die Auseinandersetzung mit Alltagsrassismus muss allerdings viel weiter gehen. Sie betrifft über die Türpolitik hinaus auch die Atmosphäre und die eigene Haltung bei Partys, auf der Straße, in der Uni und anderswo. Lasst uns unsere Räume so einrichten, dass alle sich darin wohl fühlen können, ohne auf äußere Merkmale, auf Herkunft oder auch Geschlecht reduziert zu werden! Boykottiert Clubs und Diskotheken, wo Diskrimierungen stattfinden! Schaut nicht weg, wenn ihr alltäglichen Rassismus seht!
luna
Fußnoten:
(1) Alles Wissenswerte über rassistische Einlasskontrollen in Leipzig findet sich hier: http://adb­.sachsen.de/rassistische_einlasskontrollen.html
(2) Das äußere sagt nichts darüber aus, wo mensch geboren und aufgewachsen ist oder welchen Pass er/ sie hat.

Die Odyssey der Flüchtlinge

Die Odyssey der Flüchtlinge-

thematischer Schwerpunkt der GSO 2014 Kritisch, bunt und laut war die GSO schon immer –

und sie wird es 2014 auch bleiben. Doch aktuelle Ereignisse haben uns bewogen, uns mit unserer Veranstaltung klarer und deutlicher als in der Vergangenheit zum Thema Fremdenfeindlichkeit zu positionieren. Nachdem bereits in einem Inhalte-Plenum am 27. November 2013 der Wunsch laut wurde, das (kultur)politische Profil der GSO zu schärfen, gab es nun auch die Rückendeckung des gesamten GSO-Teams für ein stärkeres politisches Engagement:
„Vielfalt macht glücklich!“ war schon immer ein Leitgedanke der GSO. Er bezieht sich aber nicht nur auf die verschiedenen Spielarten von Musik sondern zuvorderst auf das Miteinander von Menschen aus unterschiedlichen Kulturkreisen. Toleranz gegenüber Menschen anderer Herkunft oder Religion ist leider keine Selbstverständlichkeit. Die Art und Weise der Auseinandersetzung über den Bau einer Moschee im Stadtteil Gohlis oder Fackelaufmärsche vor einer Notunterkunft für Flüchtlinge finden wir zutiefst verstörend. So wollen wir in Leipzig nicht miteinander leben! Mit der GSO möchten wir uns daher klar, laut und deutlich mit Flüchtlingen und Zugewanderten solidarisieren.

Sie sind es, die aus verschiedenen Winkeln der Welt in der Hoffnung auf eine bessere Zukunft hierher kommen. Dafür haben sie eine oft lebensgefährliche Odyssey auf sich genommen. Diese Odyssey soll hier ein Ende haben. Deshalb sagen wir deutlich: Refugees Welcome! Wie geht es weiter? Im Februar 2014 planen wir ein weiteres Inhalte-Plenum, um Interessierte, studentische Gruppen und anderen politische Initiativen in die thematische Vorbereitung der nächsten GSO einzubeziehen. Nicht nur am Veranstaltungstag sondern bereits in den Wochen davor möchten wir mit unterschiedlichen Methoden auf das Problem aufmerksam machen. Wir hoffen, dass dann bei der nächsten GSO am 12.07.2014 Tausende demonstrierende und feiernde Menschen ein klares Zeichen gegen Intoleranz und Fremdenfeindlichkeit in Leipzig setzen werden.

GSO-Inhalte Plenum

Die Inhalte-AG der GSO hatte am 27.11.2013 alle Wagen-Crews und andere Mitwirkende der letzten Jahre eingeladen, um gemeinsam die inhaltliche Schwerpunktsetzung der GSO am 12.07.2014 zu diskutieren. Da die GSO als Demo bzw. Veranstaltung mittlerweile 5.000 Leute zieht, wird es immer schwieriger, alle Teilnehmenden für die Themen der GSO zu sensibilisieren. Andererseits bietet ein Demo dieser Größe und dieser medialen Aufmerksamkeit die Möglichkeit, politische Forderungen mit Nachdruck einzubringen. Gleichsam steht bei der GSO die Musik sowohl für den Großteil des Orga-Teams als auch der Teilnehmenden klar im Vordergrund, was auch so bleiben soll und muss.

 Soweit die Ausgangslage. Die Diskussion am 27.11. zeigte letztlich, dass sich die GSO in ihrer inhaltlichen Arbeit für einen von zwei Wegen entscheiden sollte, die beide Vor- und Nachteile haben:

 A) Seitens der GSO wird nur ein ungefährer thematischer Schwerpunkt vorgegeben (bspw. Freiräume und -flächen für kulturelle Veranstaltungen/Partys), der durch die Wagen (teilweise im Zusammenwirken mit anderen Initiativen) unterschiedlich interpretiert wird. Vorteil: Die GSO könnte viele Initiativen eine Plattform bieten, um Gehör zu finden. Die GSO wäre dann wie gewohnt bunt und vielfältig, was aber gleichsam der Nachteil ist: Über die Demo hinaus ist es so schwierig, einzelne Fragen nachhaltig voranzutreiben, da die GSO für viele aufgrund der Breite der angesprochenen Themen und mangels eines klar auf den Punkt zu bringenden roten Fadens inhaltlich nur schwer einordenbar bleibt.

 B) Die GSO schärft ihr (kultur)politisches Profil, d. h. sie wählt jedes Jahr EIN spezifisches Thema aus (Beispiele: Refugees Welcome! oder GEMA-Reform), zu dem dann eine klare Positionierung erfolgt, zu dem unterschiedliche Facetten bereits mehrere Monate vor der Demo textlich verarbeitet werden (die Texte werden zur Demo dann noch einmal als Heft gebündelt veröffentlicht; je nach Thema können andere politische Initiativen hier eingebunden werden) und welches dann auch von allen Demo-Wagen umgesetzt wird. Der Vorteil: Wenn in Leipzig 5.000 Leute zu einer spezifischen Forderung tanzend demonstrieren, so ist das eine Masse, die schwer zu ignorieren ist (weder von Medien noch im Rathaus). Dem gegenüber steht der Nachteil, dass eine klare politische Positionierung auch dazu führen könnte, dass einige Leute dann vielleicht nicht mehr kämen, umgekehrt aber – je nach gewähltem Thema – die polizeilichen Sicherheitsmaßnahmen spürbar erhöht werden könnten.

 Daneben wurden auch ein paar praktische Ideen eingebracht, deren Realisierbarkeit die GSO mit Blick auf die Demo am 12.07.2014 prüfen wird:

– Zwischenkundgebung als Poetry Slam an Stelle klassischer Redebeiträge

– Bereitstellung von Material am Sammelplatz, um zum Selberbasteln von Schildern oder Spruchbändern zu animieren

– frühere Anmeldung der Wagen ermöglichen, damit Wagen-Crews im Vorfeld mehr am Prozess teilnehmen können

– Workshop-Reihe in den Wochen vor der GSO (in deren Ergebnis die Texte für das Heft entstehen könnten).

 Wie geht’s jetzt weiter? Die Inhalte-AG wünscht sich eine Schärfung des (kultur)politischen Profils der GSO bzw. eine klare Positionierung zu einem aktuell relevanten Thema. Da dieser Schritt aber einen spürbaren Bruch gegenüber den Vorjahren darstellen würde, wird diese Frage noch vor Jahresende im gesamten GSO-Team diskutiert und abgestimmt. Zu Beginn des neuen Jahres wird die Inhalte-AG dann einen oder mehrere thematische Vorschläge erarbeiten und erneut zu einer Diskussionsrunde einladen (voraussichtlich im Februar 2014). Parallel dazu wird auch online die Möglichkeit bestehen, sich einzubringen. Im März 2014 wird dann die grafische Umsetzung beauftragt, die Wagen-Anmeldung gestartet und der gesamte GSO-Tag vorbereitet.

Global Space Odyssey 2013

Die Global Space Odyssey 2013 ist nun schon fast zwei Monate her und wir haben uns etwas Zeit gelassen, über die Eindrücke und Erfahrungen am 13. Juli in Ruhe nachzudenken. Mit ca. 5000 Demonstrierenden hat die GSO in jedem Fall eine neue Grenze durchbrochen und uns gezeigt, dass es jedes Jahr mehr Leute zum Protest auf die Straße zieht. Insgesamt herrschte eine sehr friedliche, angenehme Atmosphäre und die Demo verlief ohne größere Zwischenfälle – vor allem die Stimmung im Külz-Park war geprägt von sommerlich angenehmem Miteinander.

Leider war aber auch an diesem Tag nicht alles schön und wir können es nicht tolerieren, dass es in kleinen Läden und auch Supermärkten der Demoroute zu Diebstählen kam, wieder noch mehr Müll verursacht wurde, der von einer Vielzahl von Demonstrierenden und Feiernden nicht entsorgt worden ist. In unserer Wahrnehmung haben wir zudem bei vielen Demonstrierenden die kulturpolitiche Aussage vermisst und hatten den Eindruck, die GSO verkommt für Viele zum Partyumzug. Auch für uns stellt sich die Frage, ob unsere Anliegen an die Stadt bei Euch ankommen und was wir selbst tun können, um die Außenwirkung zu verstärken. Wir werden die Zeit bis zur nächsten GSO intensiv nutzen, darüber nachzudenken, neue Möglichkeiten zu erörtern und Lösungsansätze zu entwickeln. Aber auch Ihr seid gefragt, Euch weiter einzubringen.

Nicht zuletzt gilt es auch, den Menschen danke zu sagen, ohne die eine solche Demonstration nicht stattfinden könnte. Unser herzlicher Dank gilt allen Wagencrews, den Demo-OrdnerInnen, den freiwilligen HelferInnen und den Mitarbeitenden der Stadt Leipzig. Die Zusammenarbeit hat sehr gut funktioniert, auch wenn manches noch optimierbar ist. Ein großes Dankeschön geht natürlich an Euch für Eure Teilnahme an der Demo sowie die handfeste und ideelle Unterstützung!

Wir sehen uns spätestens im nächsten Jahr zur GSO oder bei kleineren Aktionen, die wir für die Zwischenzeit bereits in Planung haben.

Euer GSO-Team

Öffentlichkeitsbeleidigung

„Auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man Schönes bauen.“
-Goethe-

Medial hat Leipzig in letzter Zeit einen guten Auftritt abgelegt. Online-Magazine und Zeitungen begeistern sich für den „hippen Flair“ und scheuen nicht den Berlin-Vergleich (1), Immobilien-Ratgeber empfehlen die „grüne Stadt an der Pleiße“ (2). Ganz reell gesehen, hat es in den letzten Jahren einen beachtlichen Bevölkerungszuwachs gegeben,(3) sowie einen wirtschaftlichen Aufschwung durch den Standortausbau vieler Unternehmen.(4)

Stadtpolitik wird vornehmlich nach kommerziellen und wirtschaftlichen Interessen geführt. Die Städte treten dabei miteinander in Konkurrenz um Standorte und Investitionen, steuerzahlende Einwohner, Touristen und Großereignisse. Sie führen einen unternehmerischen Haushalt, indem sie städtisches Eigentum und Wohnbestände privatisieren und unrentable Bereiche auslagern. Städtische Ressourcen werden gewinnbringend veräußert und damit die Kontrolle der Stadt über infrastrukturell und sozial wichtige Einrichtungen abgegeben.(5)

Laut Statistik ist Leipzig immer noch „Armutshauptstadt“.(6) Und je mehr Unternehmergeist die Stadtpolitik zeigt, desto weniger wird der finanziell ärmere Teil der Bevölkerung an dem derzeitigen Auftrieb teilhaben können. Durch den Bevölkerungszuwachs in Leipzig werden Wohnraum und günstige Immobilien knapper, was sich in einer Mietpreissteigerung niederschlägt. Mit einer Stadtraumgestaltung, die vorwiegend nach wirtschaftlichen Interessen funktioniert, schwinden auch Freiräume. Und damit die Räume, welche eine alternative Lebensweise ermöglichen, eine Alternative zu Kommerz und Profitgier.

Beim Blick in andere Großstädte fallen sofort die in letzter Zeit erstarkten Bewegungen aus der Bevölkerung auf. In Stuttgart die massiven Proteste gegen ein Großbauprojekt und in Hamburg und Berlin Bewegungen, die sich dem Thema Gentrifizierung stellen. Die Besetzung des Gängeviertels in Hamburg zeigt ein geglücktes Projekt, in dem sich unter anderem Künstler dafür engagierten, dass ein ganzes Stadtviertel als Freiraum erhalten bleibt. Ihr Slogan: „Wir sind die Stadt, denn: Die Stadt sind wir alle“.(7) In Berlin fanden sich die Bewohner rund um das Kottbusser Tor zur Mietergemeinschaft Kotti & Co. zusammen. Sie kämpfen gegen die Mietsteigerungen im sozialen Wohnungsbau und stellen konkrete Forderungen zu Mietobergrenzen an die Landesregierung.(8) Diese Initiativen sind Beispiele für eine durch alle sozialen Gruppierungen breitgefächerte Beteiligung. Sie beanspruchen eine Mitgestaltung des Städtischen und fordern ihr „Recht auf Stadt“. Sie zeigen, dass soziale Bewegungen die Stadt sinnvoll mitgestalten können und wollen. Sie bilden einerseits das notwendige Gegengewicht zu den Zielen unternehmerischer Stadtpolitik und andererseits stoßen sie neue Ideen und Projekte an. Sie eröffnen Möglichkeiten, indem sie sich für benachteiligte, ausgegrenzte und diskriminierte Gruppen in der Stadt einsetzen.

In Leipzig stehen wir am Beginn einer Entwicklung, die Verdrängung und Ausverkauf zur Folge haben. Wir sollten nicht auf eine kluge Stadtpolitik hoffen, sondern eher mit einer unternehmerischen rechnen. Wir sollten unser Recht auf Stadt einfordern und wahrnehmen. Die Stadt wird am besten von denen gestaltet, die darin wohnen. Das bezieht sich nicht nur auf die konkrete Nutzung städtischer Räume jetzt, sondern auch auf die Möglichkeit zur Einflussnahme auf zukünftige Entwicklungen. Wenn es in Leipzig darum geht, größere und kleinere Areale neu zu gestalten, können sich interessierte Bürger auf den Webseiten der Stadt, im Rathaus oder im Amtsblatt über die Pläne informieren. Wenn man die Zeit und Muße hat, sich durch die sperrige Rhetorik eines öffentlichen Bebauungsplans zu pflügen, darf man seine Meinung dazu äußern.(9) Was passiert mit dieser geäußerten Meinung? Wer versteht einen in Beamtendeutsch verfassten Bauplan so, dass er sich passend dazu äußern kann? Wie viele lesen regelmäßig das Amtsblatt?
Man wird vor vollendete Tatsachen gestellt und hat nahezu keinen Einfluss auf den Planungsprozess als solchen. Auch dort, wo die Stadt vorgibt, Bürger über die oben genannten Möglichkeiten hinaus „intensiv zu beteiligen“, (10) findet sich keine Diskussion auf Augenhöhe. Beispielhaft für solch einen eher misslungenen Versuch müssen die Bürgerforen Ende 2012 zum Bayerischen Bahnhof genannt werden. Ursprünglich waren drei Foren geplant, die im Endeffekt nur aus zwei Infoveranstaltungen und einem 8-stündigen Workshop bestanden. Man konnte sich dem Eindruck einer Alibiveranstaltung vor allem beim Workshop nicht erwehren. Die Zeit war viel zu knapp bemessen für so viele gute Ideen von verschiedensten engagierten und fachkundigen Menschen. So blieben am Ende nur Skizzen übrig, die einige Wochen später – wenn überhaupt – nur ansatzweise in die Planungen eingeflossen sind. Die nächsten Bürgerforen sind für Ende 2013 angekündigt. Es vergeht also knapp ein Jahr ohne jede Beteiligung der Bürger, obwohl der Willen zur Beteiligung klar und vor allem konstruktiv geäußert wurde.(11)

Diese so genannte „Bürgerbeteiligung“ seitens der Stadt ist beleidigend. Ausbaufähig ist auch die Flexibilität von Behörden und Verwaltungen, wenn es darum geht, auf Belange von bereits bestehenden Bürgerinitiativen und Bewegungen einzugehen. Hier sei nur auf die langjährigen Bestrebungen der GSO hingewiesen, geeignete Freiflächen für nicht-kommerzielle Veranstaltungen zu bestimmen. In den zahlreichen Gesprächsrunden mit Vertretern der zuständigen Ämter wurde es bisher noch nicht einmal geschafft, ein einziges geeignetes Areal zu nominieren. Nicht nur in diesen Belangen wird bürgerliches Engagement durch zähe Verhandlungsarbeit mit Ämtern und Behörden viel zu oft ausgebremst.

Einwohner, die mit ihren Ideen und Bedürfnissen ernst genommen, aktiv in Planungsprozesse eingebunden und zur Mitgestaltung ermutigt werden, können ein Verantwortungsgefühl für ihre Stadt entwickeln. Ämter und Politiker, die eine Mitgestaltung der Bürger ermöglichen und zulassen, begeben sich auf den einzig richtigen Weg. Sie lassen zu, dass alle Differenzen, die im Raum Stadt durch die Ballung von Menschen entstehen, nicht ignoriert und glatt gebügelt, sondern anerkannt und berücksichtigt werden.

Wie mit gewissenloser Vermarktung des „Wirtschaftstandortes“ Leipzig umgegangen wird, sollte nicht (allein) in die Hände von Ämtern und Politikern gelegt werden. Wir brauchen ein Bewusstsein für die Umstände und ein Austreten aus der Passivität hin zur aktiven Stadt(mit)gestaltung.

Wir fordern mehr Transparenz von Seiten der Stadt!
Wir fordern mehr Engagement jedes Einzelnen!

Links:

(1)
http://www.spiegel.de/international/zeitgeist/leipzig-is-the-new-berlin-a-863088.html
http://www.spiegel.de/unispiegel/wunderbar/party-in-leipzig-wie-berlin-nur-besser-a-871973.html

(2)
http://immobilien-kompass.capital.de/wohnen/leipzig/beschreibung.html#details
http://www.rre-immobilien.de/standort-leipzig/

(3)
http://statistik.leipzig.de/%28S%28h0qr12nrp00pcd55hfyech45%29%29/statcity/table.aspx?cat=2&rub=1&obj=0

(4)
http://www.leipzig.de/imperia/md/content/80_wirtschaftsfoerderung/10_cl_logistik-dl/cl_logistik_2011.pdf
http://www.rre-immobilien.de/standort-leipzig/

(5)
Vgl: http://www.p-art-icipate.net/cms/recht-auf-die-stadt-soziale-bewegungen-in-umkampften-raumen/3/

(6)
http://www.leipzig.de/imperia/md/content/50_sozialamt/lebenslagenreport_leipzig_2009.pdf
http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/grosser-vergleich-leipzig-ist-deutschlands-armutshauptstadt-a-703787.html
http://www.lvz-online.de/nachrichten/mitteldeutschland/leipzig-ist-deutschlands-armutshauptstadt–jeder-vierte-verdient-weniger-als-848-euro/r-mitteldeutschland-a-162765.html

(7)
http://das-gaengeviertel.info/

(8)
http://kottiundco.net/

(9)
http://www.leipzig.de/de/buerger/stadtentw/buergerbet/

(10)
http://www.leipzig.de/de/buerger/stadtentw/projekte/Stadtraum-Bayerischer-Bahnhof-23638.shtml

(11)
Personal communication mit Steffen Thieme