GSO sagt Danke

Das Team der GSO2015 möchte sich hiermit bei allen bedanken, die dieses Jahr wieder eine tolle und friedliche GSO ermöglicht haben. Der Blick in die Medien zeigt, dass deutlich vernommen wurde, weshalb wir in diesem Jahr auf die Straße gegangen sind.

Uns ist klar, dass sich Leipzig aufgrund des anhaltenden Wachstums weiter verändern wird. Das ist auch gut so. Es liegt aber an uns allen, Einfluss darauf zu nehmen, in welche Richtung die Veränderung geht. Nehmt die Dinge nicht als gegeben hin (Gentrifizierung ist kein Naturgesetz!), bringt Euch in Prozesse ein und gestaltet sie mit und sorgt auch nach der GSO dafür, dass sich in Leipzig Geflüchtete willkommen und in Sicherheit fühlen!

Wir würden uns sehr freuen, wenn wir mit der GSO2015 nicht nur einen Tag lang Aufmerksamkeit für unsere Forderung eines „Bleiberechts auf Stadt“ erzeugt haben.

Freiräume unerwünscht? Die Wagenplätze Trailer Moon und Rhizomia wollen mehr als alternativ wohnen

An die zehn Wagenplätze dürfte es in Leipzig inzwischen geben.Die Stadt duldet diese alternativen Wohnformen, die in Leipzig ganz verschiedene Modelle gewählt haben. Während einige Wagengruppen sich für den Kauf der Flächen entschieden haben, gibt es auch Pacht-und Mietmodelle. In der Demmering/ Saalfelder Straße will die Stadt erstmals eine eigene Fläche für den Interims-Platz am Karl-Heine-Kanal zur Verfügung stellen.

Der Umgang der Stadt mit den Wagenplätzen kann als entspannt, aber planlos bezeichnet werden. Es mangelt an Engagement Rechtssicherheit für diese Wohnform zu schaffen. Ein grundlegendes Problem ist, dass die Legalisierung von Wagenplätzen bauplanungs- und bauordnungsrechtlich schwierig bis unmöglich sind.

Bauwagen seien keine „Wohnungen“ im Sinne des Baurechts, da sie nicht zum dauerhaften Wohnen geeignet sind. Das Wohnen in Wagen – so auch die Auffassung mehrere Gerichte – sei rechtlich nicht als Nutzungsart vorgesehen.

Es stellt sich einerseits die Frage inwieweit die Kommune auch vor dem Hintergrund dieser übergeordneten Gesetze Spielräume hat, andererseits gibt es auch unter den verschiedenen Wagenplätzen keineswegs Einigkeit über den goldenen Weg.

Im Mai 2014 nahm die Gruppe Trailermoon Teile des Grundstücks Schulze-Delitzsch-Straße/ Bennsingsenstraße in Leipzig-Volkmarsdorf in Besitz. Ziel war und ist es Teile der brach liegenden Fläche als Wagenplatz zu nutzen. Im Oktober folgte die Wagengruppe Rhizomia und ließ sich auf einem anderen Stück der Fläche nieder. Daraufhin erweiterten sich die Zielstellungen der neuen Bewohner_innen: “Wir wollen einen Stadtteilpark, an dem sich alle beteiligen können! Und wir wollen Teil dieses selbstverwalteten Stadtteilparks werden!”, heißt es in einem Offenen Brief der beiden Kollektive aus dem November 2014.

Das in Rede stehende Grundstück befindet sich im Besitz der Deutschen Bahn. Seit geraumer Zeit ist ein Verkauf an die Stadt Leipzig geplant. Laut Stadtratsbeschluss soll die brachliegende Fläche im zentralen und östlichen Bereich zwischen Schulze-Delitzsch-Straße und Bennigsenstraße als Ausgleichsmaßnahme der Deutschen Bahn AG im Rahmen des Projektes City-Tunnel umgesetzt werden. Geplant ist die Herrichtung einer „waldähnlichen Grünfläche“ aka „Stadtteilpark Volksmarsdorf“.

Nachdem die Deutsche Bahn als Grundstückseigentümerin im Herbst letzten Jahres auf die Beräumung der Fläche durch die Wagenburgen setzte, ist nun Ruhe eingekehrt. Ein Ende der Auseinandersetzung ist jedoch nicht zu erwarten.

Denn: Die Stadt Leipzig verweigert sich dem Kauf der Fläche mit den Wagenburgen.

Das Wagenkollektiv „Rhizomia“ spricht im folgenden über Motive und Perspektiven der Besetzung(en), Trailermoon schließt sich vollumfänglich an.

Ihr habt im Mai bzw. Oktober Brachflächen im Leipziger Osten in Besitz genommen. Warum seid ihr nicht den konventionelle von Miete oder Pacht von Flächen gegangen?

Wir hatten nicht vor, einen Platz zu mieten, zu pachten oder zu kaufen, da wir der Meinung sind, dass alle Menschen ein Recht auf einen für sie guten Lebensraum haben; unabhängig ihrer Zahlungskräftigkeit. Alle sollten wohnen, wo sie möchten und wo Platz ist und nicht, wo sie wohnen sollen oder es bezahlen können. Die Aussage, dass nunmal alles im Leben etwas kostet, nehmen wir nicht an. Niemand von uns hat sich entschieden, in einem kapitalistischen System zu leben, in dem sogar aus Lebensraum Profit geschlagen wird. Das heißt, niemand von uns hat sich dazu entschieden, dass Miete gezahlt werden muss, von der in der Regel unklar ist, wofür sie aufgewendet wird und die in vielen Fällen schlichtweg zur Bereicherung von Privatbesitzer_innen beiträgt. Wir möchten uns nicht in ein hierarchisches Lohnarbeitsverhältnis einordnen; uns Konkurrenz und Leistungsdruck aussetzen, um dann den „Lohn“ dafür in Dinge wie Miete zu „investieren“. Statt dessen stecken wir unsere Zeit, Lust, Energie und was uns sonst noch so zur Verfügung steht lieber in unsere kollektive Wohnform und in unkommerzielle Räume.

Wie lebt ihr und warum lasst ihr euch auf diese Grauzone ein?

Wir leben zusammen als solidarische Gemeinschaft. Uns verbindet zum einen eine freund_innenschafliche vertraute Beziehung und zum anderen unsere Utopie vom Leben. Wir versuchen Herrschaftsmechanismen innerhalb und außerhalb des Projektes zu erkennen, zu reflektieren, zu kritisieren und zu bekämpfen.Unsere Art zu leben verstehen wir nicht als Grauzone, sondern als Experiment unserer Utopie einer befreiten Gesellschaft näher zu kommen.

Warum denkt ihr wehren Stadt und DB eure Forderung nach einer kollektiven Gestaltung und Nutzung der Grundstücke ab?

Sowohl Stadt als auch DB scheuen sich davor langfristige Entscheidungen zu treffen und ziehen sich damit immer wieder aus der Verantwortung. Unser Selbstverständnis als anarchistisch selbstverwaltetes Kollektiv steht wohl nicht im Einklang mit der parlamentarisch hierarchischen Stadtstruktur. Die profitorientierte Deutsche Bahn als kapitalistischer Konzern kann wohl auch die unkommerzielle Nutzung der Fläche nicht nachvollziehen. Zudem steht unser Bedürfnis anonym zu bleiben im Widerspruch mit ihrem bekannten Verfahren personbezogene Daten zu sammeln.

Wie weiter nach einer möglichen Räumung?

Derzeit gehen wir nicht davon aus, dass eine einfache Räumung möglich wäre. Sollte es jedoch soweit kommen werden wir wohl angemessen darauf reagieren müssen.
Unser anfängliches Problem, keine geeignete Fläche für unsere Projekt- und Wohnräume zu haben würde wieder bestehen und uns von neuem dazu zwingen uns etwas anzueignen.

Es bleibt schlussendlich festzuhalten: Die Stadt wächst und damit auch die Zahl der Menschen, sie sich – aus verschiedenen Motiven und mit verschiedenen Zielstellungen – für ein Wohnen in Wagen entscheiden. Die Stadt Leipzig muss diesem Anspruch gerecht werden. Dies kann durch das Zur-Verfügung-Stellen von städtischen Flächen oder eine offensive Verhandlungsposition gegenüber privaten EigentümerInnen geschehen.

Dass die Wagenplätze auf einer brach liegenden Fläche, die von der Stadt Leipzig zu einem Park entwickelt werden soll, nicht erwünscht sind, leuchtet nicht ein. Hier einzulenken und den Prozess mit Rhizomia und Trailermoon sowie weiteren Akteuren aus dem Stadtteil in die Hände zu nehmen , wäre der richtige Weg.

http://rhizomia.noblogs.org/
http://trailermoon.blogsport.de/

[luna]

GSO-Stand beim Westbesuch am 4. Juli 2015

Schon Transparente und Schilder für die Demo gebastelt? Fragen oder Diskussionsbedarf zum Thema der diesjährigen GSO? Lust mitzumachen und zu helfen? Dann am Samstag, 4. Juli 2015, einfach mal beim GSO-Stand auf dem Westbesuch vorbeischauen!

Ihr findet uns in der Nähe der Klosterbäckerei in Höhe der Hausnummer 40. Wir werden den Stand ganztätig mit Leuten aus dem GSO-Team besetzen, Plakate und Kleber zum Mitnehmen dabei haben und außerdem ein paar Utensilien zum Beschriften und Bemalen von Demo-Bannern vorrätig haben. Dazu bringen wir natürlich auch etwas Musik mit. Sonnenschein gibt es nach aktueller Wetterlage obendrein.

Trübe Aussichten. Asyl, rassistische Stimmungsmache und lokale Fehlentscheidungen

Vom Großen…

Im Jahr 2014 erreichte die Zahl der Menschen, die aus ihren Herkunftsgebieten vertrieben wurden einen negativen Spitzenwert seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Laut Hohem Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR) und Amnesty International waren im vergangenen Jahr weltweit 56,7 Millionen Menschen auf der Flucht. Der überwiegende Teil der Menschen flieht innerhalb der Landesgrenzen und in die Nachbarstaaten. So waren beispielsweise bis Ende 2014 sechseinhalb Millionen Syrer_innen im Landesinneren auf der Flucht, weitere drei Millionen haben in den Anrainerstaaten Zuflucht gesucht.

Nur ein kleiner Bruchteil der Betroffenen nimmt den gefährlichen Weg in Richtung der
Europäischen Union auf sich. Die Bundesrepublik nahm 2914 knapp 40.000 auf.

Vor dem Hintergrund steigender Flüchtlingszahlen werden auch in Deutschland härtere Töne angeschlagen. Nicht nur Pegida und seine Ableger, die insbesondere in Sachsen seit einigen Monaten mit regelmäßigen „Spaziergängen“ Rassismus auf die Straße tragen, sondern auch die Regierungspolitik setzt auf Abschottung anstatt auf die humanitäre Pflicht schutzsuchenden Menschen Zuflucht zu gewähren.

So wird im Sommer 2015 das Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der
Aufenthaltsbeendigung den Deutschen Bundestag passieren. Damit wird die Inhaftierung von Geflüchteten zum Zwecke ihrer Abschiebung und ohne rechtmäßige Verurteilung erleichtert. Ein gesetzlicher Haftgrund soll zum Beispiel gegeben sein, wenn „erhebliche Geldbeträge für einen Schleuser“ bei unerlaubter Einreise aufgewandt wurden. Da es für Asylsuchende kaum legale Wege gibt um nach Deutschland zu gelangen, sind viele von ihnen allerdings auf FluchthelferInnen angewiesen.

… zum Mittleren…

Vor allem aus Sachsen schallt dieser Tage der Ruf nach Verschärfung des sowieso ausgehöhlten Asylrechts. Sachsen war und ist vor dabei, wenn es um die Forderung nach Erklärung vor allem der Westbalkanstaaten (Bosnien, Serbien, Mazedonien und neu: Kosovo, Montenegro und Albanien) zu „sicheren Herkunftsländern“ geht. Mit dieser Kategorisierung wird für die von dort fliehenden Menschen der Anspruch auf ein faires Asylverfahren konterkariert, sie haben Schnellverfahren und eine zügige Abschiebung zu befürchten. Es ist zudem die sächsische CDU, die mit ihrem Positionspapier „Integration und Zuwanderung“ unter anderem die Abschaffung
rechtsstaatlicher Garantien im Asylverfahren und stärkere Sanktionen gegen Asylsuchende fordert. Garniert werden diese politischen Weichenstellungen mit Aussagen wie „Der Islam gehört nicht zu Sachsen“ (Ministerpräsident Stanislaw Tillich) und der Forderung von AfD­ und CDU-Landtagsabgeordneten das Refugee­Protest­Camp auf dem Dresdner Theaterplatz zu räumen.

Es ist kein Wunder, dass vor dem Hintergrund dieser politischen Debattenlage Diskriminierung und Gewalt gegen Migrant_innen wachsen. Besagtes Protestcamp wurde am zweiten Tag seiner Präsenz von Pegida­-Anhänger_innen tätlich angegriffen. Seit die „Spaziergänge“ in Dresden begonnen haben, hat die Zahl der rassistischer Übergriffe laut der Opferberatung der RAA Sachsen dort akut zugenommen.

… ins Kleine…

Doch nicht nur der Ton, sondern auch die Praxis machen die Musik. Die menschenwürdige Aufnahme, Unterbringung und gesellschaftliche Inklusion der zu uns kommenden Menschen bleibt dringliche Aufgabe. Die Realität zeigt andere Bilder: Sachsenweit werden Menschen in Turnhallen und leer geräumten Verwaltungsgebäuden untergebracht, wo sie unter oft unannehmbaren
hygienischen Bedingungen und ohne Privatsphäre hausen müssen.

Leipzig dagegen baut seine umstrittenste Massenunterkunft aus. Mit der Erweiterung von derzeit 300 auf 500 Plätze wird die Torgauer Straße 290 die größte Asyl­Unterkunft in Sachsen sein. Auch die Lage am Stadtrand, im Gewerbegebiet widerspricht dem sich langsam durchsetzenden Weg Geflüchtete in kleinen Unterkünften oder eigenen Wohnungen in den Stadtgebieten unterzubringen. Die Torgauer sollte schon längst geschlossen werden, marode Gebäude und ein akuter Kakerlaken-­Befall machen das Leben dort zusätzlich zur Tortur.

Als Begründung für den Sinneswandel verwies auch die Stadt Leipzig auf die wachsenden Zahlen Asylsuchender in Leipzig. Wurden 2014 etwa 1200 Menschen nach Leipzig zugewiesen, wird sich die Zahl in diesem Jahr mutmaßlich verdoppeln. Doch auch wenn der Wohnungsmarkt enger wird, gibt es weiterhin ausreichend leer stehender Wohnungen, die sich als Quartiere für Asylsuchende eignen. Insbesondere die Wohnungsgenossenschaften verweisen auf einen Leerstand von mindestens 3000 nutzbaren Wohnungen. Mit einer klugen Liegenschaftspolitik, die nicht auf den
Ausverkauft städtischen Eigentums orientiert, könnten zudem städtische, bezahlbare Wohn-Kapazitäten geschaffen werden. Nicht zuletzt gibt es die individuelle Bereitschaft, mit Geflüchteten auch in Wohngemeinschaften zusammenzuleben. All diese Wege hat die Stadt Leipzig nicht beschritten und den Weg des geringsten Widerstands gewählt. Das ambitionierte und von zivilgesellschaftlichen Gruppen unterstützte Unterbringungskonzept von 2012, das explizit eine Abkehr von Massenunterkünften außerhalb des städtischen Lebens vorsah, wird damit unterlaufen.

Und schlimmer noch: Teilen der Initiativenlandschaft, die das Konzept seinerzeit gegen
rassistische Stimmungsmache verteidigt haben, wurden harsch aus der Diskussion herauszuhalten versucht, obwohl sie innerhalb weniger Wochen oben genannte Alternativ­Ansätze zur Torgauer Straße auf den Tisch gelegt hatten. Ganz zu schweigen von der systematischen Nicht-Einbeziehung der Betroffenen selbst.

Unterm Strich bleibt viel zu tun. Die wachsenden Zahlen Asylsuchender werden auch weiterhin zur Entladung tief sitzender rassistischer Ressentiments und Einstellungen führen, sowohl auf der Straße als auch in den Institutionen. Die mangelhafte infrastrukturelle Vorbereitung auf die Menschen, die vor Krieg, Verfolgung und anderen Notlagen, zu uns flüchten, droht weiterhin hart errungene Standards für ein zumindest in Ansätzen gleichberechtigtes Leben zu unterminieren.
Es liegt in unseren Händen, überall und jederzeit dafür einzutreten, dass Geflüchtete nicht zu Menschen zweiter Klasse gemacht werden.

http://www.willkommenimkiez.de/de/
http://www.menschen­wuerdig.org/
[luna]

Von der Forderung eines „Rechts auf Stadt“ zur Etablierung einer „Recht auf Stadt“- Bewegung in Leipzig

Die Stadt ist der Ort unseres alltäglichen Zusammenlebens; der Ort, in dem unsere Begegnungen stattfinden, indem wir unsere Beziehungen knüpfen, uns organisieren und unsere Utopien entwickeln. Nach diesem Verständnis bleibt die Artikulation des „Rechts auf Stadt“ nicht bei der Forderung nach günstigem Wohnraum oder weniger Privatisierungen stehen, sondern muss darüber hinausgehen. Das „Recht auf Stadt“ zielt auf das Recht zur umfassenden Gestaltung der gemeinsamen Beziehungen, auf die Beteiligung der (bisher) Ausgeschlossenen, neue Formen des Erfahrungsaustauschs und der Bildung des Gemeinsamen – und grundsätzlich auf die Möglichkeit, unser Leben jenseits von Verwertungszwängen zu organisieren. In der politischen Praxis muss ein Mittelweg zwischen realpolitischen Forderungen mit Forderungen, die über die kapitalistische Stadt als Lebensort hinausweisen, gefunden werden: Denn solange das Wohnen eine marktvermittelte Ware ist und die Stadt ein Feld für Investitionen darstellt, wird es zu Phänomenen wie Ausschluss und Verdrängungen in ihr kommen. Dennoch ist es stets sinnvoll auch in unserer Perspektive realpolitische Forderungen zu stellen, weil ihre Erfüllung das konkrete Leid der Stadtbewohner_innen – zumindest vorübergehend – lindert und etwas Besseres als die jetzige Situation durch sie aufscheint.

Es zeigt sich: (a) Angesichts steigender Mieten, durch die einkommensschwache Gruppen aus ihren Vierteln und an den Rand der Stadt gedrängt werden, (b) angesichts von Investor_innen, für die das Bedürfnis nach Wohnraum zum Mittel für die Realisierung der eigenen Renditerewartungen wird, (c) angesichts der Aufwertung von Vierteln, durch die die Spielräume für nichtkommerzielle Initiativen und Formen des gemeinsamen Zusammenlebens zusehends schrumpfen, (d) angesichts der Ausrufung von Gefahrengebieten, die ganze Straßenzüge zu Problemzonen erklärt und so polizeiliche Repressionen gegen ihre Bewohner_innen rechtfertigt (siehe Text Prisma) und (e) angesichts einer Stadtpolitik, die sich ganz auf das Leitbild einer unternehmerischen Stadt ausrichtet und danach strebt für Investoren attraktiv zu sein, sind die Kämpfe für ein „Recht auf Stadt“ in Leipzig noch unzureichend entwickelt.

Dennoch gibt es in Leipzig bereits mehrere Einzelpersonen, Initiativen und politische Gruppen, die bewusst oder (noch) unwissentlich ihr „Recht auf Stadt“ einfordern, oder sich gegen die Lebensform der unternehmerischen Stadt organisieren. Auf ihr Engagement kann aufgebaut werden. Der Ausgangspunkt des urbanen Widerstands ist die konkrete Lebenssituation, das heißt die Nachbarschaft. So haben sich Bewohner_innen in einigen Vierteln zu Initiativen – teilweise auch ohne eine linke Szenezugehörigkeit, wie in Anger-Crottendorf – als Reaktion auf Gentrifizierungstendenzen und drohende steigende Mieten zusammengefunden. Des Weiteren versuchen Ladenprojekte, wie beispielsweise das 2Eck, Orte der Selbstorganisierung der Nachbarschaft zu sein. In den studentischeren Vierteln Leipzigs gibt es eine vielfältige Anzahl Ladenprojekten wie Infoläden, Kulturprojekte, selbstverwaltete Bildungsangebote, offenen Voküs, uvm.. Diese Läden bieten in unterschiedlichen Bereichen Möglichkeiten einer Organisation des Lebens jenseits der Zwänge kapitalistischer Verwertungslogik und der unternehmerischen Stadt. Ihre Existenz ist aber ständig umkämpft, spätestens sobald das Viertel interessant für Investor_innen wird. In den weniger links-alternativen oder studentisch geprägten Vierteln gibt es bisher viel zu wenige solcher Initiativen, weswegen sie alleine nicht ausreichen, um Ideen einer anderen Stadt zu verwirklichen. Neben diesen Stadtteilinitiativen gibt es auch stadtübergreifende Gruppen wie Stadt für alle,welche sich in die politische Debatte der lokalen Tagespolitik einmischt, sowie das Anti-Verdrängungs-Bündnis Now_here (die Autor_innen dieses Textes), oder die Organisationsgruppe der GSO, welche die Forderung nach Freiräumen durch die jährlich stattfindende Demonstration politisiert hat. So gibt es schon Ansätze die einzelnen Kämpfe in einen größeren Zusammenhang zustellen, dennoch kann noch nicht von einer „Recht-auf-Stadt“-Bewegung gesprochen werden.

Die bestehenden Zusammenschlüsse sind noch nicht in der Lage, den oben Entwicklungen mit der notwendigen Gegenmacht zu begegnen. Um bezahlbaren Wohnraum für alle zu erkämpfen, muss es uns gelingen, die klassischen Szenegrenzen zu verlassen, von Verdrängung und Aufwertung betroffene Mieter_innen zu vernetzen und die zu organisieren, die, wie Erwerbslose, Geflüchtete oder Wohnungslose, in den offiziellen stadtpolitischen Diskursen nicht repräsentiert werden. So wollen wir abschließend einige Hinweise für eine Praxis nach diesem Verständnis geben. Zunächst halten wir die Demonstration auf der Straße als Praxisform für wichtig. Auch wenn wir ihnen eher eine symbolische Funktion zuschreiben. Dies können zum einen Solidemonstrationen für einzelne von den Gentrifizierung betroffene Häuser sein gegen, bspw. Entmietungsprozesse von Wohnhäusern (so bspw. veranstalteten die Bewohner_innen der Holbeinstraße 28a eine Demonstration zum Unternehmenssitz der für die Entmietung verantwortlichen KSW) und Verdrängungsprozessen von Freiräumen oder Wagenplätzen, zum anderen Proteste gegen die Stadtpolitik wie die GSO, sein. Durch Demonstrationen erhalten die Betroffenen eine mediale Aufmerksamkeit, da Problematiken und einzelne stadtpolitische Kämpfe sichtbar werden. Deshalb ist eine gute Medienarbeit in diesem Kontext sehr wichtig. Es kann darum gehen konkrete Praxen der Gentrifzierungsakteure zu skandalisiern oder positive Forderungen zu stellen. Des Weiteren können in der Vor – und Nachbereitung solcher Demonstrationen längerfristige Vernetzungszusammenhänge entstehen, in denen Menschen aus verschiedenen Betroffenheitssituationen zusammenkommen. Es gibt auch andere Formen, um auf die Gentrifzierung aufmerksam zu machen, die weniger Aufwand als eine Demonstration bedeuten, bspw. Aufklärungsarbeit wie Infoveranstaltungen und -flyer über die eigene Verdrändgungs- und Ausschlusserfahrung, oder Flahmobs bei städtischen Events. Bei letzterem ist es auch wichtig das Event und die Aktion so auszuwählen, dass sie medial bemerkbar werden. Gentrifzierungsakteure, wie die Stadtregierung und vor allem die Immobilienfirmen, fürchten nichts mehr als ein negatives Image für das Investitionsobjekt Leipzig und für das eigene Unternehmen. Gegen den Willen einer wehrhaften Stadtbevölkerung ist es schwerer, eine unternehmerische Politik durchzusetzen. Die Bedingung für jede gentrifizierungskritische Praxis ist aber immer eine Selbstorganisation der Betroffenen im Vorfeld. Es ist wichtig, dass sich die Bewohner_innen von Häusern in gentrifizierungsbedrohten Vierteln regelmässig austauschen über aktuelle Entwicklungen, bspw. Eigentümer_innenwechsel bei der bewohnten Immobilie oder angekündigte Sanierungen. Es ist genauso wichtig, dass sich Gruppen, die permanent Betroffene der Verdrängungsprozesse sind, wie Erwerbslose, Flüchtlinge oder Obdachlose selbst organiseren, um sich und ihre Probleme besser artikulieren zu können. Gruppen wie Now_here wollen für solche Selbstorganisierungen von Betroffenen Ansprechpartner sein und die unterschiedlichen Menschen in einer „Recht auf Stadt“ – Bewegung zusammenführen.

Organisiert Euch selbst, lasst uns die Kämpfe vereinen, denn es ist unsere Stadt und eine andere ist möglich!

[now_here]